Führt eine deutsche Geschäftsfrau die Verhandlungen mit indischen Männern, kann sie dabei auf einen Kommunikationsstil treffen, der sie irritiert. Möglicherweise hat das damit zu tun, dass indische Manager in einer männerdominierten Geschäftswelt wenig Erfahrung haben, mit Frauen zu verhandeln und sich entsprechend ungeschickt verhalten. Wo sind die häufigsten Stolpersteine, und was kann eine Businessfrau aus Deutschland tun, um als mit allen Vollmachten ausgestattete Verhandlungspartnerin von den indischen Gesprächspartnern von Anfang an ernst genommen zu werden?
Die richtigen Antworten auf persönliche Fragen
Die indische Geschäftswelt funktioniert über Beziehungen. Man macht Geschäfte mit Menschen, die man kennt und denen man vertraut. Inder wollen nicht nur Analysen, Fakten, Daten und Preise, sondern möchten zuerst den Menschen kennenlernen, um sich ein Bild von ihm zu machen. Deshalb stellen sie Fragen nach der Familie, den Kindern, den Universitäten, an denen man selbst studiert hat, und wo man seine Kinder studieren lässt. Für deutsche Ohren klingt das neugierig, fast schon indiskret. Ebenso wie es für Männer unverzichtbar ist, sich auf solche Fragen vorzubereiten, müssen sich auch deutsche Managerinnen überlegen, was sie antworten. Der indische Verhandlungspartner wartet auf Erzählungen, die ihm helfen, sein Gegenüber zu verstehen, indem er es in sein kulturell geprägtes „Koordinatensystem“ einnordet. Er hat dabei aber eventuell Schwierigkeiten, das gegenüber einer Frau zu artikulieren, um nicht zu direkt zu wirken. Aber es interessiert ihn, ob sie Familie hat und wie sie ihre Kinder managt.
Zu diesen Themen sollte jede deutsche Businessfrau bereit sein, etwas Persönliches preis zu geben. Sie sollte sich auch überlegen, was sie erzählt, wenn sie weder Mann noch Kinder vorzuweisen hat und damit völlig aus dem Rollenbild herausfällt, was eine Frau nach indischem Denken ist und zu sein hat. Von der Herkunftsfamilie zu sprechen, Patenkinder zu erwähnen und von einem breiten Bekannten- und Freundeskreis zu sprechen, der einem Sicherheit gibt, ist ebenso zu empfehlen, wie ein hohes soziales Engagement zu betonen. Ohne unter Rechtfertigungsdruck zu geraten, ist der Hinweis, dass sich Kind und Karriere oft schlecht verbinden lassen, ebenso erlaubt. Während in Indien Großfamilie und Kindermädchen ganz selbstverständlich verfügbar sind und die Mutter bei der Erziehung unterstützen, ist das in Deutschland nicht in vergleichbarer Weise der Fall. Businessfrauen sollten sich jedoch nicht daran stören, wenn – tatsächlich oder eingebildet – ein leiser Ton des Bedauerns auf die Information „Single ohne Kind“ zu spüren ist. Wer Familienglück aufgrund seiner Sozialisation als das wichtigste überhaupt empfindet, tut sich einfach schwer, eine andere Wahl gut zu heißen.
Professionalität mit Herzenswärme
Die Botschaft an alle deutsche Businessfrauen in Indien lautet: Lassen Sie diese Fragen zu und begegnen sie ihnen mit Offenheit und Gelassenheit. Erzählen Sie Ihre Geschichte, unterstreichen Sie mit viel Herzenswärme Ihre Kompetenz und Qualifikation und zeigen Sie Interesse an Land und Leuten. Loben Sie viel, beweisen Sie Know-how und emotionale Intelligenz. Professionalität mit Herzlichkeit ist die Haltung, die Businessfrauen ausstrahlen sollten. Souverän demonstrierte Sachlichkeit, aufmerksames Zuhören und passendes „Storytelling“ bringen Sie dem geschäftlichen Erfolg in Indien näher.
Jüngere Frauen in Verhandlungen
Eine weitere Unsicherheit auf Seiten der indischen Verhandlungspartner kann sich ergeben, wenn sie mit einer jungen Businessfrau aus Deutschland konfrontiert sind. In Indien gilt das Prinzip der Seniorität. Wer älter ist, hat per se mehr Erfahrung und bekommt mehr Kompetenz und Verantwortung attestiert. Inder haben in ihrer Sozialisation gelernt, eher vom augenscheinlich ältesten Verhandlungsteilnehmer anzunehmen, er hätte das meiste zu sagen und letztlich die Entscheidung zu treffen. Umso überraschender mag es sein, wenn eine jüngere Frau mit allen Verhandlungsvollmachten ausgestattet ist und sich nicht mehr mit einem Vorgesetzten abstimmen muss, unter welchen Konditionen genau der Vertrag geschlossen werden kann. Auch hier gilt: Kultur ist der Faktor, der die indische Seite zu unpassenden Annahmen verleitet und Unsicherheit hervorruft. Souveränität und ein unaufgeregtes, dezentes, gleichwohl aber entschiedenes Signalisieren der Kompetenz sind die Eigenschaften, die sich empfehlen.
Dresscode für deutsche Businessfrauen
Zum Schluss eine Bemerkung zum Dresscode: „Kleider machen Leute“ bemerkte schon Gottfried Keller in seinem literarischen Schaffen. Schlichte Eleganz mit Niveau ist der Stil, der zu Verhandlungsgesprächen mit indischen Geschäftspartnern am besten passt. Das heißt: Kostüm oder Hosenanzug in gedeckten Farben mit dezentem Schmuck. Dazu wenig Make-up. „Aufgehübscht“ kann das Businessoutfit mit indischen Schals und Seidentüchern werden. So zeigt eine deutsche Businessfrau Respekt vor den Textilien Indiens und schafft für die indische Seite einen vertrauten Anblick. Weiß ist in Indien die Trauer- und Bestattungsfarbe und sollte deshalb nicht gewählt werden.
Deutsche Businessfrauen punkten, wenn sie sich einen hochwertigen Seidensari kaufen und als kleine Überraschung anlässlich eines Geschäftsessens tragen. In jedem Fall sollte die dazugehörige Bluse maßgeschneidert sein (Hotels bieten einen sehr schnellen Schneiderservice), so dass der Auftritt im indischem Outfit nicht durch ein unpassendes T-Shirt getrübt wird. Beratung gibt es im Hotel-Shop oder auch durch die weiblichen Mitglieder der indischen Verhandlungsdelegation bzw. die Managementassistentin. Ein absolutes „no go ist es allerdings, die männlichen Geschäftspartner diesbezüglich zu Rate zu ziehen oder gar auf Shopping-Tour mitzunehmen.
Kompetenz, Herzenswärme, gelassene Souveränität, dezente Eleganz und nicht zuletzt die deutlich artikulierte Freude an Land und Leuten, die sich auch darin zeigt, einen Sari zu tragen, sind beste Voraussetzungen für Frauen, in Indien gute Geschäfte zu machen.
Autorin: Prof. Dr. Simone Rappel –Seit 1995 ist die Theologin und Religionswissenschaftlerin in der internationalen Zusammenarbeit tätig und hat über 20 Jahre Erfahrung als Führungskraft und im Projektmanagement. Heute arbeitet sie u. a. als interkulturelle Trainerin mit Schwerpunkt auf indisch-deutsche Zusammenarbeit.