Von Gefällen und Fairplay in deutsch-finnischen Kooperationen

Auf der finnischen Insel Rymättylä werden Software und Systeme für die Roboter der deutschen Firma Kuka AG erstellt. Das von Kimmo Salonen und Jyrki Vilo gegründete Unternehmen Kine Roboter Solutions Oy hat sich hierdurch zu einem der größten finnischen Systemintegratoren für industrielle Produktionsprozesse entwickelt. Seit 2007 unterhält Kine eine Tochtergesellschaft in Karlsruhe.

Die Augsburger Kuka AG ist mit über fünftausend Angestellten auf fünf Kontinenten einer der weltweit führenden Anbieter in Robotics und Systems. Kine Roboter Solutions beschäftigt auf der schmalen Halbinsel nördlich von Turku fünfzehn Mitarbeiter. Dieses Größengefälle ist in deutsch-finnischen Kooperationen häufig anzutreffen und kann zu kulturellen Differenzen führen.

Finnische Flexibilität versus deutsches Hierarchieverständnis

Jyrki Vilo hat schon während der Schulzeit an einem Austauschprogramm nach Deutschland teilgenommen und war seither immer „pro Deutsch“ eingestellt. Der mitteleuropäische Kommunikationsstil war ihm aufgrund einer drei Jahre währenden Berufstätigkeit im Ausland bekannt. Trotzdem gab es Stolpersteine. Vor allem Unterschiede im Hierarchieverständnis irritierten den Roboterfachmann zu Beginn: „In Deutschland wird oft darauf verwiesen, dass man bezüglich einer bestimmten Sachklärung nachfragen müsse. Man nimmt keine verbindliche Position ein. Das irritierte mich sehr, da sich in Finnland die verhandelnden Mitarbeiter eines Unternehmens in der Regel zu einer Stellungnahme befugt fühlen“, erinnert er sich.

Kulturunterschiede stellte der Ingenieur auch bei der Einstellung zu Veränderungen im Arbeits- oder Produktionsablauf fest. In Deutschland würden Änderungen als massive Probleme gewertet, während Finnen sich schnell den neuen Umständen fügten, um nach praktikablen Lösungen zu suchen.

Finnisches Fairplay versus deutsche Integrität

Einen kritischen Punkt stellte für die junge finnische Firma die Einhaltung von Zahlungsfristen dar. In Finnland wendet man selten Skonto an und es ist unhöflich, nach dem Fälligkeitsdatum zu zahlen. Man ist jedoch daran gewöhnt, Zahlungsfristen nach Bedarf mündlich neu zu vereinbaren. Die offene Ansprache von Zahlungsschwierigkeiten gilt als Fairplay und wird meistens durch freundliches Entgegenkommen honoriert. „Als ich deutsche Partner um einen kleinen Zahlungsaufschub bat, musste ich später feststellen, dass es trotz geleisteter Zahlung viel Arbeit verlangte, meine Integrität wieder herzustellen“, führt Jyrki Vilo aus.

Diese deutsche Reaktion wird wiederum von finnischer Seite aus als Misstrauensvotum gewertet. Die eingehende Klärung von Zahlungskonditionen im Vorfeld könnte somit erheblich zur Vermeidung von Missdeutungen beitragen.

Finnische Innovation versus deutsches Umsatzvolumen

In Deutschland weiß man allgemein weniger über Finnland, als es umgekehrt der Fall ist. Auf der Technologie-Ebene herrscht trotzdem gegenseitiger Respekt. Deutsche Geschäftspartner sind oft beeindruckt von der innovativen Haltung finnischer Unternehmen. Dieser Respekt ist in kritischen Verhandlungssituationen zwecks Vermeidung größerer Konflikte hilfreich.

Allerdings erweist sich das Gefälle bezüglich der Größenordnung bei der Geschäftspartnersuche oft als Hindernis. Dies kann nur mit einer guten Portion Selbstbewusstsein überwunden werden. „Ein relativ großer Absatz von Robotersystemen in Finnland wirkt in Deutschland viel kleiner und beeindruckt umsatzmäßig wenig. Als deutscher Unternehmer mit Interesse am finnischen Markt lohnt es sich jedoch, die deutsche Messlatte beiseite zu legen. Auch große deutsche Unternehmen können durchaus von dem Know-how kleinerer innovativer Firmen profitieren“, sagt Vilo.

We make it together

Die Redewendung „Deutsche verkaufen auf Englisch, kaufen aber nur auf Deutsch“ ist allgemein bekannt. Die Fähigkeit, Verhandlungen mit dem Geschäftspartner in deutscher Sprache führen zu können, trug auch bei Kinde und Kuka zu einer positiven Verhandlungsatmosphäre bei. „Doch auch umgekehrt freuen wir uns über jeden noch so kleinen Versuch der Deutschen, sich an einigen finnischen Wörtern zu versuchen“, bemerkt Jyrki Vilo. Schließlich se es beiden Seiten wichtig, die offene Haltung gegenüber dem ausländischen Geschäftspartner zu demonstrieren. Der von Kuka und Kine gewählte Slogan „We make it together“ spricht in diesem Fall für sich.

Autorin: Birgit Griese-Saarinen –  Birgit Griese-Saarinen hat sich auf Training und Consulting in finnischen und deutschen Unternehmen spezialisiert. Sie spricht neben Deutsch, fließend Englisch und Finnisch. Die Autorin verfügt über jahrlanger Erfahrung in diversen Arbeitsbranchen.

Dieser Beitrag ist erstmals im Magazin der Deutsch-Finnischen Handelskammer erschienen. Mit freundlicher Genehmigung der Autorin.


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