Visitenkarten-Etikette für das internationale Business

Visitenkarten dienen in erster Linie dem Austausch von Kontaktdaten. Sie helfen außerdem bei der gegenseitigen Vorstellung und Anrede, insbesondere wenn fremdsprachige Namen erfasst werden müssen. In vielen Ländern vermitteln Visitenkarten aber auch essentielle Informationen über Status und Stellung ihres Trägers. Das macht sie zu einem wichtigen Instrument, um geschäftliche Beziehungen zu strukturieren.

Während also hierzulande die Visitenkarte mehr als ein Informationsträger gesehen wird, ist sie in anderen Regionen der Businesswelt ein Statusträger und stellt in gewisser Weise sogar eine Verlängerung der eigenen Person dar. Daher ist es in diesen Ländern essentiell, auf Gestaltung, Empfang und Übergabe der Visitenkarte ein besonderes Augenmerk zu legen.

Die Geschichte der carte de visite

Nach ersten Formen in Ägypten und im alten China gilt Frankreich als das Ursprungsland der carte de visite (Visitenkarte). Ab dem 17. Jahrhundert wurde hier wie auch in anderen europäischen Ländern die Besuchskarte in Herrschaftshäusern verwendet, um den Hausherrn zu informieren, wer während seiner Abwesenheit mit welchem Anliegen vorgesprochen hat. Verschiedene Abkürzungen, die in höheren Kreisen auch heute noch Verwendung finden, drückten dabei den jeweiligen Besuchsgrund aus:

  • p. v. – pour visiter, zum Besuch
  • p.c. – pour condoler, um zu kondolieren
  • p.p.p. – pour prendre part, um Teilnahme auszudrücken
  • p.f. – pour feliciter, um Glückwünsche auszurichten
  • p.m. – pro memoria, um sich in Erinnerung zu bringen
  • p.r. – pour remercier, um für etwas zu danken
  • p.p.c. – pour prendre congé, zum Abschied

Eine auf einem Kartenteller abgelegte Karte wird auch heute noch oft durch Abknicken einer Ecke nach oben gekennzeichnet:

  • obere linke Ecke geknickt: zum Besuch
  • untere linke Ecke geknickt: zur Gratulation
  • rechte obere Ecke geknickt: zum Abschied
  • rechte untere Ecke geknickt: Kondolenzbesuch

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die carte de visite (calling card oder Besuchskarte) gerne auch mit einem kleinen Porträtfoto versehen. Je günstiger die Herstellung wurde, desto populärer wurden individuellere Gestaltungsformen. Zu den Porträtfotos kamen weitere Designs und Verzierungen hinzu. Jenseits der Adelshäuser nutzten Mitglieder einzelner Berufsstände Visitenkarten mit bestimmten Symbolen. Natürlich fand die europäische Mode ihren Weg über den großen Teich. In Amerika sprengte man bald alle Konventionen, Gestaltung und Illustration der Karten wurden reicher und aufwendiger. Farbdrucke mit Bild der Firma wurden üblich, ein Vorreiter des heutigen Logos. Alle neuen Konventionen kamen mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung wieder nach Europa zurück. Die Visitenkarte etablierte sich schließlich weltweit. Im Folgenden geben wir einen kurzen Überblick zu kulturellen Unterschieden in der globalen Visitenkarten-Etikette:

Frankreich – Titel werden diskret zur Kenntnis genommen

Im französischen Geschäftsleben werden Visitenkarten gleich nach der Vorstellung ausgetauscht. Da die französische Gesellschaft vergleichsweise hierarchisch organisiert ist, fallen die Bezeichnungen auf der Visitenkarte umfangreich aus. So spielen akademische Grade und die genaue Position im Unternehmen eine wesentliche Rolle. Aber Achtung: Die Titel werden bei der gegenseitigen Vorstellung nicht erwähnt. Man entnimmt sie diskret der Visitenkarte, was dieser ihre besondere Bedeutung zuordnet.

In einem Land, das sich deutlich wahrnehmbar gegen Anglizismen sträubt und wo man auch in geschäftlichen Meetings gerne schnell vom Englischen ins Französische zurückwechselt, ist übrigens eine Übersetzung der Visitenkarte ins Französische sicher kein Nachteil.

Die Gestaltung sollte edel ausfallen. Häufig sind französische Visitenkarten etwas größer als das weltweit übliche Scheckkartenformat.

Italien – geschäftliche und private Visitenkarten

Wie in Frankreich dient auch in Italien die Visitenkarte dazu, das Gegenüber anhand der Informationen über den akademischen Grad und die Position im Unternehmen richtig einzuordnen. Das aufmerksame Lesen der entgegengenommenen Karte demonstriert dabei den Respekt für die andere Person. Eine Übersetzung der eigenen Karte ins Italienische wird ebenfalls gebührend geschätzt.

In Italien gibt es neben der geschäftlichen Visitenkarte auch eine für private Zwecke, denn es ist verpönt, seine Businesskarte im privaten Umfeld zu verwenden. Diese etwas größeren Kärtchen enthalten Namen, Wohnadresse, akademische Grade (!) und Telefonnummer.

Polen – Wer entscheidet?

In Polen zeigen Visitenkarten ebenfalls ausführlich alle Titel und Funktionen einer Person. Somit ist dem Empfänger der Karte sofort klar, ob sein neuer Kontakt über die gewünschten Entscheidungsbefugnisse verfügt oder nicht. Reicht dessen Befugnis nicht aus, muss der Kontakt diplomatisch genutzt werden, um mit einer ranghöheren Person ins Gespräch zu kommen.

Polnische Visitenkarten sind fast immer zweisprachig, Polnisch und Englisch.

USA – Wird der Kontakt weiter verfolgt?

In den USA enthalten Visitenkarten natürlich auch alle relevanten Informationen. Allerdings werden sie tatsächlich rein zur Übergabe der Kontaktdaten verwendet, nicht etwa, um Status oder Funktion im Unternehmen klarzustellen. Deshalb wird die Visitenkarte hier auch nicht zu Beginn des Treffens übergeben, sondern meist erst am Ende, bevor man geht. Man hinterlässt sozusagen seine Telefonnummer und E-Mail-Adresse für die weitere Kommunikation.

Erhalten Sie am Ende eines Gesprächs von Ihrem amerikanischen Gegenüber keine Karte, kann dies bedeuten, dass er an einem weiteren Kontakt nicht interessiert ist. Sie dürfen gerne nach seiner Visitenkarte fragen. Redet sich Ihr Gesprächspartner jedoch heraus, etwa mit der Ausrede, ihm seien die Visitenkarten ausgegangen oder er habe gerade eine neue Durchwahl bekommen, können Sie dies fast immer als Absage werten.

Bei der Gestaltung der Visitenkarte ist zu beachten, dass amerikanische Unternehmen die Rückseite für die Selbstdarstellung des Unternehmens verwenden, Claim, Logo, Werbung etc. Fehlt dies auf Ihrer deutschen Karte, kann das dem guten Eindruck schaden.

Japan – meishi sind ein Prestigeobjekt

Die japanische Gesellschaft ist sehr stark und sehr fein hierarchisiert. Daher spielen hier angemessene Respektsbezeugungen eine sehr große Rolle. Visitenkarten (meishi) gelten als Prestigeobjekt und bieten beim gegenseitigen Kennenlernen eine große Hilfe, um den genauen Rang des Gegenübers auszumachen und sich selbst entsprechend über- oder unterzuordnen.

Der Austausch der Karten wird in Japan als Teil des Begrüßungsrituals begangen. Jüngere oder in der Rangordnung niedriger stehende Personen überreichen ihre Karte zuerst. Nehmen und geben Sie eine Visitenkarte stets mit rechter und linker Hand gleichzeitig, fassen Sie sie nur an den oberen Kanten an und stets mit der japanischen Schrift nach oben zeigend. Eine leichte Verbeugung ohne Blickkontakt wird als die respektvolle Art der Übergabe wahrgenommen. Lesen Sie die Visitenkarte Ihres Gesprächspartners aufmerksam. Legen Sie die Karte dann vor sich auf den Tisch, bei mehreren Personen gerne gemäß der Tischordnung. Denn üblicherweise tauschen alle Anwesenden ihre Karten aus. Bringen Sie also eine ausreichend große Menge an Karten mit. Nicht genügend Visitenkarten dabei zu haben, gilt als großer Fauxpas!

Am Ende eines Meetings wird jede Visitenkarte sorgfältig in ein Etui gelegt, niemals einfach in die Sakkotasche gleiten lassen! Und auch nicht bei Nervosität oder Langeweile mit der Visitenkarten des anderen in der Hand spielen!

Visitenkarten sollten in Japanisch verfasst oder zweisprachig sein. Die Seite in japanischer Schrift nennt zuerst den Nachnamen, dann den Vornamen. Außerdem gilt: Je weniger auf der Karte steht, desto wichtiger und bekannter ist die Person!

China – Goldene Schrift ist Pflicht

In China wird mit der Übergabe der Visitenkarte auch der eigene Respekt gegenüber dem Geschäftspartner bekundet. So werden die Karten auch hier mit beiden Händen überreicht und auch mit beiden Händen entgegengenommen. Es gilt, der empfangenen Karte die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken und vielleicht sogar eine interessierte Rückfrage zu stellen. Dann wird die Karte entweder sehr sorgfältig in ein Etui gelegt oder im Meeting vor sich auf den Konferenztisch gelegt. Verteilt werden die Visitenkarten nach dem Rang der anwesenden Personen. Beginnen Sie beim Ranghöchsten.

Da in China die Farbe Weiß Trauer symbolisiert, sollte der Stil Ihrer Visitenkarten nicht zu schlicht ausfallen. Goldene Schriftzeichen und eine aufwendige farbliche Gestaltung kommen besser an. Denken Sie daran: Visitenkarten zeigen in China Macht, Rang und gesellschaftliche Stellung einer Person. Design, Druckqualität und Papier geben daher Aufschluss über die Position ihres Trägers.

Zweisprachige Visitenkarten sind üblich: Die chinesische Seite nennt erst den Nachnamen und dann den Vornamen, die englische Seite kann dem europäischen Stil, Vorname/Nachname entsprechen. Es empfiehlt sich jedoch, den Nachnamen in Großbuchstaben zu drucken, damit kein Missverständnis aufkommt.

Südostasien – In muslimischen Ländern nur mit links

Auch in Südostasien werden Visitenkarten oft, gerne und in rauen Mengen ausgetauscht, und zwar beim ersten Treffen, meist gleich zu Beginn. In asiatischer Manier und übergibt man eine Visitenkarte stets mit beiden Händen. Dies gilt allerdings nicht für die muslimischen Länder Indonesien und Malaysia. Da im Islam die linke Hand unrein ist, werden Visitenkarten nur mit der rechten Hand berührt.

Betrachten Sie die empfangene Visitenkarte aufmerksam, bevor Sie sie sorgfältig einstecken. Nicht einfach in die Tasche gleiten lassen oder mit einer sehr legeren Handbewegung wegstecken!

Idealerweise sind die Visitenkarten zweisprachig in Englisch und in der Landessprache verfasst.

Brasilien – Ein Knick gegen Identitätsbetrug

In Brasilien spiegelt die Visitenkarte den Status einer Person wieder. Flecken auf der Karte oder Knicke werfen daher ein schlechtes Licht auf die Verlässlichkeit des Geschäftspartners. Es gibt allerdings eine Ausnahme: Viele Brasilianer knicken beim Übergeben ihrer Karte eine Ecke ein, um zu demonstrieren, dass diese Karte aus erster Hand kommt. Dies wirkt dem häufig praktizierten Identitätsbetrug entgegen, indem sich eine Person mit einer fremden Visitenkarte vorstellt. Allein aus diesem Grund sollten Sie darauf achten, dass Ihre Visitenkarte immer frisch aus dem Etui kommt und nicht etwa unterwegs in Ihrer Sakkotasche ein paar Eselsohren eingebüßt hat.

Um den persönlichen Status zu unterstreichen, sollten alle akademischen Titel aufgeführt werden. Die Position im Unternehmen sollte gegebenenfalls mit Blick auf die brasilianischen Standards hochgestuft werden. Denn Titel fallen in Brasilien oft sehr „üppig“ aus. Eine Übersetzung der Visitenkarte ins Portugiesische ist daher sehr empfehlenswert, denn Sie benötigen die Visitenkarte letztlich um zu zeigen, dass Sie für die anstehenden Verhandlungen der richtige Mann / die richtige Frau sind und mit allen Befugnissen ausgestattet sind. Durch die enge Verbindung zwischen Person und Visitenkarten werden auch in Brasilien empfangene Karten mit Respekt behandelt.

Nutzen Sie die empfangene Karte auch dazu, den dreiteiligen Namen Ihres brasilianischen Gesprächspartners richtig zu verwenden: Nach dem Vornamen folgt an zweiter Stelle der Familienname der Mutter und an dritter der Familienname des Vaters. Frauen ersetzen nach der Heirat ihren ersten Nachnamen durch den Nachnamen ihres Ehemanns. Bei der Anrede wird immer der zweite Nachname verwendet, wobei in Brasilien auch im Geschäftsleben sehr schnell zum Vornamen übergegangen wird.

Arabische Staaten – Die passende Hierarchiestufe ausmachen

Status und Rang sind von großer Bedeutung, wenn Sie es mit Arabern zu tun haben. Ihre Visitenkarte sollte daher alle Titel aufweisen und vor allem Ihre Position im Unternehmen genau widerspiegeln. Es ist essentiell, dass Ihre arabischen Geschäftspartner sofort den Umfang Ihrer Entscheidungskompetenzen erkennen können. Denn hier stehen sich in jedem Gespräch immer Vertreter gleicher Hierarchiestufe gegenüber. Entsprechend sollten auch Sie sich darin üben, aus arabischen Visitenkarten in englischer Sprache die richtigen Informationen herauszulesen. Andernfalls führen Sie ergebnislose Gespräche mit Leuten, die nicht ausreichend entscheidungsbefugt sind.

Obwohl Visitenkarten zu Beginn eines Treffens diese extrem wichtigen Informationen vermitteln, erfolgt ihre Übergabe schnell und ohne formelles Ritual. Sie müssen also rasch alle Angaben zur Kenntnis nehmen und Ihre arabischen Gesprächspartner hierarchisch einordnen. Don’t forget: Since the left hand is considered impure in the Muslim world, you should hand over and receive business cards with the right hand.

Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.


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