Religion im Indien-Geschäft

Eigentlich wollten Sie den tollen Geschäftsabschluss feiern und haben dazu schon den Champagner kalt stellen lassen. Allerdings kommt es bei Ihren Geschäftspartnern gar nicht gut an, dass Sie mit Alkohol anstoßen möchten. Dabei hat alles so schön begonnen und jetzt sind Sie in ein kulturelles Fettnäpfchen getappt, bevorzugt man in Indien mehrheitlich nicht-alkoholische Getränke.

Die Businesskultur macht da kaum eine Ausnahme. Religiöse Vorschriften sind die Ursache für dieses Verhaltensmuster. Gut, schon wieder was gelernt, denken Sie. Religion muss in Indien trendy sein. Denn wie wäre es sonst zu erklären, dass der Vertrag an einem ganz bestimmten Tag zu einer ganz bestimmten Zeit unterschrieben werden musste, weil die Sterne da besonders günstig stehen. Obwohl Sie darüber irritiert waren, willigten Sie ein. Schließlich sollte dem Geschäftserfolg nichts im Wege stehen. Klar, Sie gingen auch mit in den Tempel, weil Ihrem Geschäftspartner der göttliche Segen wichtig ist. Kann nicht schaden, den Beistand von Oben zu erbitten, sagten Sie sich und ließen die Zeremonie über sich ergehen. Sie konnten nichts verstehen, fanden es aber interessant, das mitzuerleben. Tolle Atmosphäre, einmal was ganz anders, und die vielen Götter. Wer ist da überhaupt wer? In Indien scheint das Motto zu gelten: „Viel hilft viel“. Warum gäbe es sonst so viele Göttinnen und Götter? Die Götterbilder im Bürokomplex fallen Ihnen ein, besonders der elefantenköpfige Ganesha mit dem dicken Bauch. Bunt und geschmückt mit Blumengirlanden. Selbsterklärend ist das alles nicht. Vieles erscheint Ihnen unglaublich und Sie sagen sich: „Das ist eben Incredible India!“


Mit einem E-Learning-Kurs schnell zum Erfolg!

Erster Einstieg, selbständige Vertiefung oder zusätzliche Details – Sie wählen, wo und wann sie auf relevante Informationen zugreifen. Wir bieten Onlinekurse zu den unterschiedlichsten interkulturellen Themen – auch wer schon viel Erfahrung hat, findet immer etwas Neues!


Religion ist präsent

Ja, es stimmt. Religion ist in Indien wichtig. Sie ist präsent, offenkundig und wird sichtbar zelebriert. Indien atmet Spiritualität. Religion bestimmt den Alltag der Menschen und ist öffentlich. Der Hinduismus, dessen verschiedenen Richtungen (z.B. Anhänger Shivas, Vishnus, Krishnas, Kalis etc.) 80,5 Prozent der Inder angehören, formt als Mehrheitsreligion das Verhalten der Menschen und prägt seit Jahrtausenden die Kultur. Kunst ist in Indien ursprünglich religiöse Kunst. Musik, Tanz, Architektur, Malerei und Bildhauerei z.B. dienen zur Freude der Götter. Für säkular sozialisierte Menschen aus dem Westen sind bisweilen sowohl die öffentliche Präsenz als auch das selbstverständlich demonstrierte religiöse Bekenntnis irritierend. Gerade in Europa ist die Mehrheit der Ansicht, dass Religion Privatsache sei und – mit Ausnahme der institutionell verfassten Religionsgemeinschaften (z.B. Kirchen als Arbeitgeber) – im Geschäftsleben keinerlei Rolle spielen dürfe.

Spiritualität und religiöse Lebensweisheit waren und sind ein wichtiges indisches Prägemuster und vielfach sogar ein finanziell lukratives Exportgut. Schauen wir kurz auf die Szene: Yoga ist absolut im Trend. Rund um den Globus üben Millionen von Menschen nicht nur die richtigen Körperhaltungen (asanas), sondern erfahren auch, dass der belebende Atem kosmische Kraft ist, der in der Wiederholung der Heiligen Ursilbe „Aum“ nachzuspüren ist. Gurus treffen mit ihren Weisheiten den wunden Punkt bei Stressgeplagten wie Sinnsuchenden, denen sie nicht selten die Rezitation bestimmter Mantras empfehlen, um body, mind and soul in Balance zu bringen. Den Tod des philanthropischen Bhagwan Sri Sathya Sai Baba (1926-2011) betrauerten weltweit mehr als 25 Millionen Anhänger. Oshos Lebensratgeber stehen als internationale Bestseller in den Esoterikabteilungen der Buchhandlungen und ein retreat im Ashram ist für viele mittlerweile ein angesagtes Lifestyle-Produkt. Alles made in India.

Teilhaben ist besser als ignorieren

„Nichts für mich“, sagen sich viele aus der Welt des Managements und denken, dass all das ziemlich ausgefallen sei und getrost ignoriert werden könnte. Doch so einfach ist es keineswegs: Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Sie über Ihre indischen Geschäftspartner in Kontakt mit gelebter Religion und praktizierter Spiritualität kommen und sich irgendwie damit arrangieren müssen. Äußerst hilfreich ist es dabei, wenn Sie über Basiswissen verfügen und dieses einbringen und im Mit-Erleben vertiefen. Keine Angst: Niemand will Sie zu seiner Religion bekehren. Aber man möchte Sie ein wenig teilhaben lassen an dem, was einem wichtig und selbstverständlich ist. Entsprechend schätzen Ihre Geschäftspartner, wenn Sie sich für Religion und Spiritualität interessieren, an entsprechenden Zeremonien teilnehmen und Fragen stellen, was die Riten, Bräuche und Zeichen im Einzelnen bedeuten.

Religion und Spiritualität sind wichtige kulturbestimmende Faktoren in Indien, die sowohl offenkundig als auch subtil in die Businesswelt einfließen. Allein schon der in Indien übliche Gruß „Namaste“ oder „Namaste ji“ ist dafür ein Indikator. Übersetzt man diese Formulierung, so ist sie mit „guten Tag“ oder „Willkommen“ nicht richtig wiedergegeben. Vielmehr heißt es: „Das Göttliche in mir grüßt das Göttliche in Dir!“ Das bayerische „Grüß Gott“ kommt in die Nähe und deutet wie der indische Gruß an, dass der andere, das Gegenüber, Sitz des Göttlichen ist und entsprechend respektvoll, ehrwürdig zu behandeln ist. Allein dies ist schon eine Information über das Menschen- und Weltbild Indiens, das ohne das Göttliche mit seinen vielen Namen nicht auskommt.

Für Ihren Geschäftserfolg und nicht zuletzt das Feintuning in Sachen Mitarbeiterführung ist es hilfreich, den in Indien seit mehreren Jahrtausenden implementierten religiösen Prägemustern erhöhte Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, weil sie im Alltag leitend sind und das Denken und Handeln bestimmen. Und vielleicht finden Sie neben allem vorteilschaffenden Pragmatismus auch Interesse, der kulturformenden Spur des Göttlichen in Indien nachzuspüren und auf diese Weise noch besser zu verstehen, wie die Menschen in Indien ticken.

Im nachfolgenden Beitrag Religion im Indien-Geschäft – Das richtige Verhalten finden Sie einen Guide für Gelegenheiten, bei denen Sie im Indien-Business mit Religion und Spiritualität in Berührung kommen können. Es wird erklärt, was Sie zu erwarten haben und wie Sie sich bei den jeweiligen Anlässen am besten verhalten.

Autorin: Prof. Dr. Simone Rappel –Seit 1995 ist die Theologin und Religionswissenschaftlerin in der internationalen Zusammenarbeit tätig und hat über 20 Jahre Erfahrung als Führungskraft und im Projektmanagement. Heute arbeitet sie u. a. als interkulturelle Trainerin mit Schwerpunkt auf indisch-deutsche Zusammenarbeit.


Haben Ihnen diese Informationen geholfen?

Es gibt noch vieles mehr zu berichten und zu lernen. Entscheidend ist natürlich – aus welchem Land Sie kommen? Arbeiten Sie in einem internationalen Team oder planen Sie demnächst eine Entsendung ins Ausland?

Rufen Sie uns an, oder schreiben eine E-Mail. In einem kurzen, unverbindlichen Termin klären wir, ob Sie von unserem weltweiten Expertennetzwerk profitieren können. →


+49 (0)711 722 468 44 Fallstudien
Cookie Consent mit Real Cookie Banner