Ähnlich wie in den meisten südeuropäischen Geschäftskulturen spielen auch in Italien gute Beziehungen eine essentielle Rolle. Der Austausch gegenseitiger Gefälligkeiten verbunden mit langfristigen Loyalitäten ist die Basis eines jeden Miteinanders. Geschäftsbeziehungen gelten in Italien daher erst dann als stabil und erfolgreich, wenn auch die persönliche Ebene zwischen den Partnern stimmt und sich alle in ein persönliches Beziehungsnetzwerk einfügen. Wichtigste Basis ist eine gute Kommunikation, denn Reden ist für Italiener das Maß aller Dinge. Dabei werden im Gespräch immer erst persönliche Themen abgeklopft bevor man auf den eigentlichen Grund des geschäftlichen Treffens überhaupt zu sprechen kommt. Gemeinsames Essen und Trinken unterstreicht dabei die gute Unterhaltung.
Ähnliches Zeitempfinden
Das Zeitempfinden zwischen Deutschen und Italienern fällt zwar dem „Nord-Süd-Gefälle“ in Europa entsprechend unterschiedlich aus, aber im Geschäftsleben wird Pünktlichkeit von beiden Seiten positiv interpretiert. Allerdings ist in Italien die Toleranzschwelle höher, d.h. man kann auch 20 bis max. 30 Minuten später zum Meeting kommen, ohne unpünktlich zu sein. Eine telefonische Ankündigung der Verspätung wird jedoch genauso als Zeichen von Verlässlichkeit geschätzt wie in Deutschland.
Flexibilität und Improvisationstalent
Wer bereits in Rom oder Neapel Auto gefahren ist, hat schon sehr viel von der besonderen Flexibilität mitbekommen, die Italienern insbesondere in unvorhergesehenen Situationen sehr zu Gute kommt. Diese beruht zu einem nicht unwesentlichen Teil auch auf ihrer ausgeprägten Kommunikationsfähigkeit – verbal oder non-verabl, die sie bestehende Probleme schnell und kreativ miteinander lösen lässt. Deutsche sollten bei ihren italienischen Geschäftspartnern daher unbedingt deren Improvisationstalent zu schätzen lernen. Zahlreiche erfolgreiche Kooperationen beweisen außerdem, dass die deutsche Präzision und die italienische Flexibilität auf Projektebene zu guten gemeinsamen Ergebnissen führen können.
Übrigens: Mit Blick auf die italienische Kommunikationsfreude überrascht es nur wenig, dass in der Geschäftskultur Italiens mündliche Vereinbarungen sehr viel mehr Bedeutung haben als schriftliche Verträge. Gedrucktes wird insgesamt mit sehr viel Flexibilität und Großzügigkeit ausgelegt.
Eine stetige Frage: Wo werden Entscheidungen getroffen?
In vielen italienischen Unternehmen sind die Hierarchiestufen sehr ausgeprägt. Werden Stellen auf höheren Ebenen neu besetzt, stehen Fachwissen und Erfahrung der Kandidaten nicht immer im Vordergrund. Sehr häufig geben Persönlichkeit, familiäre Herkunft und Zugehörigkeit in ein Beziehungsnetzwerk eher den Ausschlag für die Zusage. Analog dazu ist auf den höchsten Managementstufen nicht immer ersichtlich, wer für bestimmte Entscheidungen verantwortlich ist. Hier zählt, wer in der Geschäftsführung das größte Vertrauen genießt. So wird eine Entscheidung nicht automatisch von der Leitung der entsprechenden Fachabteilung getroffen. Für erfolgreiche Geschäftsverhandlungen in Italien sollten Deutsche versuchen, Verknüpfungen und persönliche Verbindungen im Unternehmen zumindest ein wenig zu durchschauen.
Die Projektarbeit erfolgt in italienischen Unternehmen – wie sollte es anders sein – vor allem über den verbalen Austausch. Der Teamleiter verfolgt insgesamt einen autoritären Stil, der aber durch eine regelmäßige persönliche Ansprache der Mitarbeiter, die Förderung und die Pflege einer guten Beziehung zu ihnen aufgelockert wird. Regeln oder Standards nehmen einen untergeordneten Stellenwert ein. Nur wenn die Führung bei ihren Mitarbeitern ein gewisses Commitment und Engagement für ein Projekt erreicht, werden Aufgaben umgehend erledigt. Die Umgangsformen innerhalb des Unternehmens sind eher informell. Bei Geschäftsbesuchen erwartet die Deutschen daher ein „reges Treiben“.
Die Charakteristika der deutschen und der italienischen Geschäftskultur lassen sich immer zu einem guten Mix vereinen: Die Professionalität der Deutschen, ihre präzise und sachliche Vorgehensweise und ihr Entscheidungswille gepaart mit der italienischen Flexibilität in allen Lebenslagen, der Anpassungsfähigkeit und der kreativen Umsetzung eines Projekts machen eine intelligente, synergiereiche Zusammenarbeit möglich. Ist das einmal von beiden Seiten erkannt worden, dann lieben und schätzen sich Italiener und Deutsche gleichermaßen!
Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.