Kulturelle Unterschiede Chile

Chile ist eine stark beziehungsorientierte Kultur, das heißt, die gute Beziehung zwischen potenziellen Geschäftspartnern ist wichtiger als die Sache selbst. Ein gutes Produkt alleine wird Sie daher in Chile nicht zum Erfolg führen. Viel wichtiger für eine erfolgreiche Geschäftsanbahnung sind persönliche Besuche vor Ort und zwar nicht zu wenige, die zunächst rein dem gegenseitigen Kennenlernen und alles entscheidendem Vertrauensaufbau dienen. Eine rein telefonische Kontaktaufnahme oder schriftliche Anfragen per E-Mail führen in Chile selten zum Erfolg. Im Idealfall verfügen Sie bereits über Kontakte, die Sie potenziellen chilenischen Geschäftspartnern weiterempfehlen. Dann genießen Sie einen Vertrauensvorschuss, der die Anbahnung maßgeblich beschleunigen kann. Wirtschaftsorganisationen vor Ort können ebenfalls Hilfestellung bieten.

Ist der Kontakt einmal aufgebaut, sollten die Ansprechpartner auf Ihrer Seite möglichst lange die gleichen bleiben. Chilenen machen Geschäfte eher mit Personen und nicht unbedingt mit dem Unternehmen an sich. Wenn ihr vertrauter Ansprechpartner die Firma wechselt, folgen sie diesem häufig. Denn mit einem neuen Ansprechpartner müssten sie erst mühsam eine neue geschäftliche Beziehung aufbauen. Wie gesagt, die gute persönliche Beziehung zwischen Geschäftspartnern ist Chilenen im Grunde wichtiger als die Sache selbst. Auch wird die Vertrauenswürdigkeit einer Person höher gewertet als beispielsweise ihre fachliche Kompetenz. Haben Sie einmal im chilenischen Markt Fuß gefasst, sollten Sie auch weiterhin an Ihrem Beziehungsnetz arbeiten. Networking ist in chilenischen Business ein mächtiger Faktor.

Die ersten Minuten sind wichtig

Chilenen begrüßen ihre Geschäftspartner meist per Handschlag und oft auch mit einer Umarmung und einem Wangenkuss. Der Ranghöchste sollte stets zuerst begrüßt werden. Bei Frauen empfiehlt es sich, einen Moment abzuwarten, ob sie Ihnen die Hand geben möchten oder nicht. Ansonsten ist ein freundliches Kopfnicken angebracht.

Die meisten Chilenen haben zwei Familiennamen, der erste stammt vom Vater, der zweite von der Mutter. In der Anrede wird nur der erste Familienname verwendet, also z.B. Señor/Señora/Señorita Gomez. Akademische Titel werden ebenfalls verwendet.

Obwohl in Chile zunächst das formale „Sie“ benutzt wird, werden Business-Partner relativ schnell mit dem Vornamen angesprochen. Für Ranghöhere gibt es eine weitere Anredeform, „Don“ für den Mann und „Doña“ für die Frau.

Der Austausch von Visitenkarten bei der Begrüßung ist wichtig, denn sie liefern alle wichtigen Informationen, um einen neuen Kontakt richtig einzuordnen. Ihre Visitenkarten sollten im Idealfall zweisprachig sein und Informationen wie akademische Titel und Position im Unternehmen aufweisen. Ihre Entscheidungskompetenz sollte von Anfang an über das Medium Visitenkarte vermittelt werden.

Entgegengenommene Visitenkarten sollten Sie aufmerksam studieren und respektvoll behandeln. Lassen Sie die Karte also nicht ungesehen in Ihre Sakkotasche gleiten, sondern legen Sie sie beispielsweise vor sich auf den Konferenztisch oder legen Sie sich in ein Visitenkartenetui.

Small Talk ist gut investierte Zeit

Wie bereits erwähnt, ist Chile ist eine beziehungsorientierte Kultur. Bevor man mit Ihnen Geschäfte macht, möchte man Sie kennenlernen. Vor allem in kleineren Unternehmen ohne internationale Erfahrung müssen Sie davon ausgehen, dass man Ihnen zunächst mit einer gesunden Portion Misstrauen begegnet. Diese werden Sie Ihrem chilenischen Gegenüber auch ansehen können. Chilenen gelten aber auch als besonders freundlich, aufrichtig und offen, sobald das notwendige Vertrauen aufgebaut ist.

Small Talk zu Beginn eines Business-Meetings ist ein guter Weg, um diese Vertrauensbasis langsam aufzubauen. Zeigen Sie sich freundlich und positiv und versuchen Sie, die anwesenden Chilenen erst einmal für sich zu gewinnen. Erst dann sollten Sie langsam auf geschäftliche Themen zusteuern. Das kann aber durchaus auch erst beim zweiten oder dritten Meeting angebracht sein.

Gut zu wissen: Während Chilenen gerne eher bescheiden über ihr Land und ihre Kultur sprechen, sollten Sie die Schönheit und Sehenswürdigkeiten Chiles unbedingt kennen und lobend erwähnen. Damit treffen Sie Chilenen mitten ins Herz und werden viel Sympathiepunkte ernten. Nehmen Sie jedoch unbedingt Abstand davon, Chile mit Nachbarländern zu vergleichen. Da können Sie schnell in ein Fettnäpfchen treten.

Ohne Essen kein Geschäft?

Sagen Sie keinesfalls Nein zu einer Essenseinladung. Ausgiebige Geschäftsessen sind in Chile Teil des Business. Anfangs finden diese Essen zum gegenseitigen Kennenlernen meist mittags statt und ziehen sich oft weit in den Nachmittag hinein. Später sind Abendveranstaltungen ebenfalls üblich genauso wie private Einladungen nach Hause. Achtung: Eine Einladung auf einen Drink umfasst meist auch ein gemeinsames Abendessen.

Bringen Sie zu jedem Essen viel Zeit mit, schlagen Sie angebotene Speisen möglichst nicht aus und revanchieren Sie sich zu einem späteren Zeitpunkt für die Ihnen entgegengebrachte Gastfreundschaft.

Chilenische Kommunikationsregeln

Wie ihre südamerikanischen Nachbarn kommunizieren Chilenen vergleichsweise lebhaft und mit relativ viel Gestik und Mimik. Sich gegenseitig zu unterbrechen, wird nicht als unhöflich betrachtet. Die Sprache ist schnell, da bleibt keine Zeit für höfliche Pausen, um das Wort an den nächsten Redner weiterzugeben. Achten Sie darauf, dass Sie sich ein wenig an das chilenische Tempo anpassen, sonst wirken Sie aus chilenischer Sicht wenig interessiert.
Chilenen sprechen aber im Vergleich zu anderen spanischsprachigen Nationen eher sanft. Ein zu lautes, fast aggressives Auftreten ist verpönt. Um die Lautstärke zu reduzieren, wenn viele Personen sprechen, steht man eher dicht zusammen. Versuchen Sie möglichst nicht zurückzuweichen, auch wenn Sie das Gefühl haben, dass man Ihnen zu nah auf die Pelle rückt. Das kann ablehnend wirken.

Die Beziehung im Auge behalten

Die beziehungsorientierte Kommunikation der Chilenen setzt voraus, dass Sie stets darauf achten müssen, wie sich Ihr Gegenüber durch Ihre Worte fühlt. Zu viele ehrlich formulierte negative Aussagen oder auch direkte Kritik werden Chilenen schnell als persönlichen Affront werten. Denn eine Trennung zwischen Sach- und Beziehungsebene ist ihnen kaum möglich. Sie können daher keinesfalls davon ausgehen, dass kritische Worte nur auf die Sache (z. B. eine Arbeitsleistung), nicht aber auf die Person bezogen werden. „Nimm’s nicht persönlich“ gibt es in Chile nicht!

Ähnlich wie in vielen asiatischen Kulturen gilt auch für Chile, dass man sein Gesicht wie auch das seines Gegenübers wahren muss. Andere zu kritisieren oder zu beleidigen führt zu Gesichtsverlust auf beiden Seiten: Derjenige, der kritisiert verliert genauso Gesicht wie derjenige, der sich durch die geäußerte Kritik bloßgestellt fühlt. Den Respekt anderer verdienen Sie sich in Chile, indem Sie jeden gut behandeln, stets freundlich und aufmerksam sind. Integrität, Respekt und Aufrichtigkeit sind wichtige Werte, die in der Kommunikation Beachtung finden müssen.

Chilenen werden zudem als sehr freundlich und positiv empfunden. Im Umkehrschluss sollten Sie darauf achten, dass Sie ebenfalls positiv wirken. Jammern, meckern, seinem Unmut Ausdruck zu verleihen kommt bei Chilenen nicht gut an und kann nur schwer nachvollzogen werden. Achten Sie darauf, dass Sie sich immer wertschätzend zeigen und bei jeder sich bietenden Gelegenheit Lob äußern.

Gleichermaßen tun sich Chilenen schwer damit, ein klares „Nein“ zu deuten. Man will das Gegenüber nicht durch eine ablehnende Haltung und eine negative Antwort vor den Kopf stoßen. Deshalb müssen Sie auch darauf achten, dass Sie ein eher indirekt geäußertes „Nein“ auch als solches wahrnehmen. Heißt es zu oft „Ja, das geht vielleicht“ oder „Das könnten wir mal versuchen …“ ist Ihr Gegenüber wenig überzeugt, will Ihnen dies aber nicht zu deutlich vermitteln.

Meetings führen nicht direkt zum Ziel

Meetings in Chile werden kaum kurz und knapp ausfallen. Vor allem in der Anfangsphase sollte immer Zeit für den beziehungsstärkenden Small Talk sein. Seien Sie geduldig und überlassen Sie Ihren chilenischen Partnern die Entscheidung, wann sie sich geschäftlichen Themen zuwenden möchten. Wie gesagt kann das durchaus erst beim zweiten oder dritten Meeting der Fall sein.

Rechnen Sie auch damit, dass erste Meetings eher formal ausfallen und man Sie durch viele Fragen ein wenig prüfen möchte. Spätere Meetings werden aber eine eher entspannte Atmosphäre haben.

Präsentationen sollten attraktiv gestaltet werden. Verwenden Sie viele Grafiken und Bilder. Halten Sie die Sprache einfach. Handouts in spanischer Sprache sind empfehlenswert, um wichtige Details zu vermitteln.

Finale Entscheidungen werden in Meetings eher nicht fallen. In stark hierarchisierten chilenischen Unternehmen entscheidet oft der Chef selbst, nachdem ihm aus den Meetings mit Ihnen alle Ergebnisse und Vorschläge unterbreitet worden sind. Sie sollten also immer darauf achten, ob Sie mit den Entscheidungsträgern selbst im Meeting sitzen oder nicht.

Verhandlungspartner statt Verhandlungsgegner

Auch in Verhandlungen schreiben Chilenen die gegenseitige persönliche Beziehung groß. Sie sollten daher stets auf eine Win-Win-Situation zusteuern und sehr darauf achten, dass Sie Ihre chilenischen Verhandlungspartner nicht in die Knie zwingen und diese Gesicht verlieren lassen. Eine Verhandlung wird nur als erfolgreich betrachtet, wenn beide Seiten Vorteile erhalten. Alles andere kann keine gute Basis für eine langfristige Geschäftsbeziehung sein.

Zeigen Sie sich daher immer kooperativ, flexible und offen. Gegenseitiger Respekt und Vertrauen haben oberste Priorität. Hard-selling Taktiken oder Zeitdruck führen nicht zum gewünschten Ziel. Stimmt die persönliche, emotionale Ebene nicht, werden Chilenen Verhandlungsgespräche eher abbrechen, als sich diesen unguten Gefühlen auszusetzen.

Vor diesem Hintergrund werden Chilenen sehr geradlinig und direkt verhandeln. Sie steuern direkt auf das Ziel zu, Verhandlungstricks oder Showeinlagen haben hier keinen Platz. Auch um Preise werden Chilenen nicht wirklich feilschen. Sie sollten daher gut vorbereitet sein und klar definierte Vorhaben, Zahlen und Pläne präsentieren können. Stellen Sie am besten mehrere Optionen zur Wahl.

Die finale Entscheidung wird vom Chef selbst getroffen, auch wenn dieser sich durchaus von anderen Führungskräften beeinflussen lässt. Entscheidungen brauchen oft Zeit. Seien Sie geduldig und diskreditieren Sie sich nicht dadurch, dass Sie versuchen, die Dinge zu beschleunigen.

Verhandlungsergebnisse sollten schriftlich festgehalten und werden später in ausführliche Verträge münden. In der Regel werden schriftliche Vereinbarungen in Chile eingehalten, allerdings mag der Interpretationsspielraum größer sein als hierzulande. Es ist daher immer empfehlenswert, nicht auf einzelne Klauseln zu pochen, sondern in der späteren Zusammenarbeit flexibel auf die sich verändernden Gegebenheiten zu reagieren. Eine langfristige Kooperation ist das Ziel, das Chilenen in erster Linie anstreben. Nicht Verträge, sondern nur das Commitment beider Seiten kann im Ernstfall ein Projekt retten.

Tägliche Zusammenarbeit mit chilenischen Projektpartnern

Chilenen haben ein polychrones Zeitverständnis, das heißt, sie arbeiten meist an mehreren Aufgaben gleichzeitig und wechseln flexibel von einer Sache zur anderen hin und her. Das hat zur Folge, dass eine genaue Planung einzelner Projektschritte wenig genutzt wird. Man lässt den Dingen eher ihren Lauf, reagiert flexibel auf aufkommende Probleme und ändert öfters die aktuellen Prioritäten. Gehen Sie nicht davon aus, dass man Sie informiert, wenn es Probleme gibt. Es liegt eher bei Ihnen, regelmäßig Informationen einzuholen und den Stand der Dinge zu eruieren. Indem Sie in Kontakt bleiben, sorgen Sie dafür, dass Ihre Anliegen eine hohe Priorität erhalten und erledigt werden.

Bedingt durch die stark hierarchisch geprägten Gesellschaftsstrukturen sind auch Unternehmen stark hierarchisiert. Es werden tendenziell eher wenige Befugnisse nach unten delegiert. Chilenische Mitarbeiter auf den unteren Ebenen sind es daher gewöhnt, genaue Anweisungen von oben zu erhalten. Es wird eher ungern eigenverantwortlich gearbeitet. Wenn der Chef die geleistete Arbeit genau kontrolliert, wird das positiv gesehen.

Chilenen sind nicht nur stark beziehungsorientiert, sondern auch familien- und gruppenorientiert. Das bedeutet im beruflichen Alltag, dass sie großen Wert auf ein harmonisches Betriebsklima und das tägliche Miteinander legt. Chilenischen Mitarbeitern liegt das Wohl des Teams am Herzen. Gleichzeitig nimmt der Chef die Rolle des fürsorglichen Vaters ein, der sich einerseits um alle Mitarbeiter kümmert. Übrigens sind rund 80 Prozent der Unternehmen in Chile familiengeführt.

Ein paar Etiketteregeln zum Schluss

Chilenen legen großen Wert auf ein gepflegtes Äußeres. Im Geschäftsleben ist eine eher konservative Kleidung angebracht. Markenkleidung unterstreicht zudem den in der chilenischen Klassengesellschaft so wichtigen persönlichen Status. Understatement ist daher wenig förderlich. Auch auf gute Tischmanieren wird ebenfalls Wert gelegt.

Kleine Geschenke und Mitbringsel aus der Heimat sind erst gerne gesehen, wenn die persönliche Beziehung fest etabliert ist. Chile hat eine niedrige Korruptionsrate, was auf große Anstrengungen der Regierung zurückzuführen ist. Achten Sie deshalb genau darauf, dass Ihre Geschenke nicht als Bestechungsversuch oder Einflussnahme ausgelegt werden können. Vor allem Regierungsbeamten sollten Sie keinesfalls ein Geschenk überreichen.

Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.


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