Kulturelle Identität der bulgarischen Geschäftswelt

Bulgarien liegt am Kreuzweg unterschiedlicher Kulturen. An der Grenze zwischen Asien und Europa erstreckt sich ein kleines Land, das früher eine große Weltmacht war und die Geschichte aktiv mitgestaltete. Die Urbulgaren waren ein kriegerisches Volk aus Zentralasien. 681 überquerten sie die Donau und gründeten zusammen mit den dort angesiedelten slawischen Stämmen den Staat Bulgarien. Durch viele Kriegszüge etablierte sich das erste bulgarische Reich als ein der mächtigsten in Europa und bezwang sogar die Byzantiner, einen jährlichen Tribut an Bulgarien zu zahlen. Vier Jahrhunderte später wendete sich das Blatt und Bulgarien fiel unter byzantinischer Herrschaft. Von den 12 Jh. bis 14 Jh. erlebte das Land eine kulturelle Blütezeit. Diese endete mit der Eroberung von den Osmanen. Fast 500 Jahre war Bulgarien unter osmanischer Herrschaft.

Orient und Okzident

Diese bewegende Geschichte und die Einflüsse verschiedener Länder und Nationen prägen bis heute die kulturelle Identität der Bulgaren. Das Land vereint Orient und Okzident, die Religion ist eine Mischung zwischen Christentum und Heidentum, an der Grenze zum Atheismus. Der Bulgare selbst ist ein Kompromiss zwischen dem, was er ist und dem was er gern sein würde.

Die neue Geschichte Bulgariens wird von den 45 Jahren Sozialismus bestimmt. Die regierende kommunistische Partei pflegte enge politische und wirtschaftliche Beziehungen zur Sowjetunion. Die Planwirtschaft war die herrschende Wirtschaftsordnung. Der Staat verwaltete das ganze wirtschaftliche Geschehen durch 5-Jahres-Plan. Es gab kein Privateigentum. Alle Fabriken, Werke und Betriebe gehörten dem Staat. Die staatlichen Planungsbehörden bestimmten, was und wie viel hergestellt wurde, zu welchem Preis und wo die Produkte verkauft wurden. Zwischen den Ostblockländern existierte Arbeitsverteilung. Jedes Land spezialisierte sich in der Produktion bestimmter Güter, die sie aneinander verkauften oder gegen andere Waren umtauschten. Die Interessen der sozialistischen Gemeinschaft waren wichtiger als die des einzelnen Staates. So waren manche Länder gezwungen unrentable Produktionen zu betreiben. Die Menge war wichtiger als die Qualität. Die Bruderländer reklamierten nicht! Hauptsache die Statistiken zeigten, dass der Ostblock bessere Ergebnisse erzielte als der Westen und somit beweisen konnte, dass der Sozialismus die bessere politische Ordnung war.

Vollbeschäftigung und Übererfüllung

Alle waren gleich. Den Bürgern und Bürgerinnen wurde der zugewiesen Arbeitsplatz sowie Sozialleistungen wie Kindergartenplatz und Urlaub an der heimischen Schwarzmeer-Küste garantiert. Es herrschte Vollbeschäftigung. Die Frauen waren alle berufstätig. Männer und Frauen waren gelichberechtigt und bekamen gleiche Löhne und Gehälter. Die Arbeiter strebten die Erfüllung und Übererfüllung des 5-Jahres-Plans. Bei Versammlungen und Partei-Kongressen wurde feierlich über Planübererfüllung von 200 % und mehr berichtet. Die Besten wurden ausgezeichnet und mit Ehrentiteln wie „verdienstvoll“ prämiert.

Gehorsamkeit, Unselbständigkeit, passiver Widerstand

Öffentliche Meinungsäußerungen wurden nicht geduldet. Die Meinung des Partei-Staates war auch die Meinung der Bevölkerung. Eigeninitiative wurde nicht gefördert. Die Bürger und Bürgerinnen wurden in Gehorsamkeit und Unselbständigkeit erzogen. Man sollte tun, was verlangt wird und nur wenn es verlangt wird. Die Machtinhaber pflegten einen autoritären Führungsstil und haben oft ihre Macht missbraucht. Die Bevölkerung rächte sich mit einem „passiven Widerstand“. Bei jeder Gelegenheit drückten sie sich von der Arbeit. „Sie tun so, als ob sie mich bezahlen, und ich tue so, als ob ich arbeite!“ Während des Sozialismus waren Parteizugehörigkeit, Herkunft und Beziehungen wichtiger als Leistung.

Die Leitsätze der Marktwirtschaft sind: Individualismus, Leistung, Entfaltungsfreiheit, Pluralismus der Meinungen, Mitbestimmung und Selbstbestimmung. Sie sind das absolute Gegenteil zu den Tugenden des Sozialismus. Nach der Wende 1989 sollte Bulgarien einen schnellen und reibungslosen Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft schaffen. Die bulgarischen Wertvorstellungen sollten kritisch betrachtet und von Grund auf erneuert werden. Keine Gesellschaft ist aber in der Lage, einen solchen Veränderungsprozess über Nacht zu vollziehen. Es folgte eine Orientierungsphase und Versuch, sich an den neuen Bedingungen anzupassen. Während des Sozialismus haben die Bulgaren gelernt, sich nur an der Oberfläche systemkonform zu verhalten. Ein richtiger Wertewandel wird einige Generationen dauern.

Privatisierung und Aufbau

Nach der Wende begann die Privatisierung der bulgarischen Wirtschaft. Der Staat behielt nur an den strategisch wichtigen Industriezweige Anteile, z.B. am Energiesektor. Die „appetitlichsten Happen“ wurden zwischen den Machthabenden verteilt. Viele staatlichen Betriebe wurden heruntergewirtschaftet, damit sie spottbillig verkauft werden konnten. Während dieser Stunde Null verloren sie ihre Kunden und Marktpositionen, die Maschinen und Anlagen wurden einzeln verkauft oder sie verschwanden über Nacht. Die neuen Inhaber mussten alles wieder beschaffen und aufbauen. Sie mussten auch lernen, unternehmerisch zu denken und zu arbeiten.

Die Gesetzgebung konnte nicht schnell genug neue Gesetze und Regeln schaffen. In den ersten Jahren des Übergangs zur Marktwirtschaft fischten viele im Trüben. Improvisation und Risikofreudigkeit waren gefragt. Die Neuverteilung des Kapitals war im vollen Gange. Die meisten Firmen schleusten ihre Profite am Fiskus vorbei. 2008 führte die Regierung eine Flachsteuer von 10% ein, die weiterhin zu den niedrigsten in Europa zählt. Erst dann begann die Business Legalisierung. Der Anteil der Schattenwirtschaft in Bulgarien beträgt immer noch mehr als 30 % vom Bruttoinlandsprodukt.

Bulgarische Familienunternehmen

Die Geschäftswelt in Bulgarien wird von kleinen und mittleren Familienunternehmen dominiert. Diese jungen Firmen sind meistens Ende der 90er gegründet und in den letzten Jahren rasant gewachsen. Sie werden in der Regel von den Inhabern in Alleinherrschaft geführt. Er trifft alle wichtigen Entscheidungen. Die Hierarchien sind relativ flach. Die Organisationsstrukturen konnten den schnellen Wachstum nicht folgen und entsprechen nicht der Größe der Firma. Wie beim Sozialismus war die Menge wichtiger. Erst in den letzten Jahren begann die Einführung von internationalen Qualitätsstandards. Der Wandel in der Denkweise wird aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Deutschsprachige Unternehmen

Die bulgarische Wirtschaft ist in den großen Städten konzentriert. Viele deutsche und österreichische Unternehmen bevorzugen die Hauptstadt Sofia oder die zweitgrößte Stadt Plovdiv. Es sind auch mehrere Industriezonen im ganzen Land eingerichtet. Das vorwiegende Gebirgsrelief erschwert und verlangsamt den Transport. Manche Straßen sind im Winter nicht befahrbar. In den letzten Jahren wurden mit europäischen Geldern intensiv Autobahnen gebaut. Ausländische Investoren wählen Standorte in der Nähe von den Flughäfen und den neuen Autobahnen. Die ländlichen Gebiete werben mit niedrigen Grundstückpreise, Steuersenkungen und -befreiung, sowie billige Produktionsarbeiter. Das qualifizierte Personal wird von den großen Städten angezogen. Immer mehr Führungskräfte sind aber bereit zu pendeln, was die Attraktivität der Provinz erhöht.

Bulgarien bietet einen entwicklungsfähigen und zukunftsorientierten Markt. Die aufstrebende Geschäftswelt sucht seinen Platz in der globalen Wirtschaft und freut sich auf neue Business-Partner.

Autorin: Eugeniya Weber – Diplom-Ökonomin Eugeniya Weber ist in Bulgarien geboren und aufgewachsen. Nicht nur die enge Beziehung zu ihrem Heimatland macht sie zu einer ausgezeichneten Trainerin. Ihre Seminare bietet Eugeniya Weber in drei verschiedenen Sprachen an: Deutsch, Bulgarisch und Englisch. Sie unterstützt ihre Kunden mit verschiedensten systemischen Coaching-Methoden.

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