Kommunikation mit Koreanern

Seit der US-Anthropologe Edward T. Hall 1976 die Kulturdimension des schwachen bzw. starken Kontextbezuges vorgestellt hat, wissen wir, dass es im Umgang mit Informationsgewinnung und -verarbeitung höchst unterschiedliche kulturelle Konzepte gibt. Und wie so oft bei Kulturvergleichen befinden sich Deutschland und Korea an nahezu entgegen gesetzten Enden der Skala: Das Kommunikationsverhalten von uns Deutschen weist einen schwachen Kontextbezug auf, d.h. wir nennen die Dinge häufig direkt beim Namen und sagen offen, was wir denken. Im Gespräch konzentrieren wir uns auf die verbale Kommunikation – es ist das gesprochene Wort, das zählt. Para- oder nonverbalen Aspekten messen wir eine eher untergeordnete Bedeutung bei.

Für Koreaner hingegen ist es unüblich, geradewegs auf den Punkt zu kommen oder die eigene Meinung unumwunden zu äußern. Sie kommunizieren in einem sehr starken Kontextbezug: Mimik, Intonation oder Sprechpausen sind für sie eigene, sehr wichtige Informationsträger, die zwingend berücksichtigt werden müssen. Auch Andeutungen und Anspielungen haben ein hohes Gewicht. Aussagen lassen somit einen wesentlich größeren Deutungsspielraum zu, und der Gesprächspartner braucht eine gute Kombinationsgabe. Die Auswirkungen dieses ungleichen Kontextbezugs illustrieren drei Beispiele aus dem geschäftlichen Alltag.

Zustimmung und Ablehnung

Herr Meister bittet seinen koreanischen Geschäftspartner um einen Gefallen. Ob Herr Lee ihm die Zahlen für die Quartalsplanung wohl eine Woche früher zukommen lassen könne, als vereinbart. „Tzs… yeessss“, antwortet Herr Lee, der sehr gut Englisch spricht, und zieht dabei Luft durch die Zähne ein. Er werde sein Bestes tun. Seine Stimme klingt schwach, die Betonung ist gedehnt. Herr Meister versteht dies als Zusage und freut sich, mit seiner Planung schneller voranzukommen. Umso enttäuschter ist er, als die Zahlen dann erst zum ursprünglich zugesagten Termin eintreffen. „Wenig zuverlässig, diese Koreaner“, denkt er. Darauf, dass Herr Lee ihm höflich eine Absage erteilt haben könnte, kommt er erst nach einer Reihe ähnlicher Erfahrungen.

In der koreanischen Kultur gilt es als unhöflich, eine Bitte von vornherein abzuschlagen. Lieber stimmt man vordergründig zu, um den anderen nicht zu verletzen, und lässt die Sache dann im Sande verlaufen.

Umschreibende Phrasen wie „Darüber werde ich nachdenken“, „Das könnte nicht ganz einfach sein“ oder „Ich werde mein Bestes geben“ sind typische Antworten, um keine direkte Absage zu erteilen. In dieser Situation hätte Herr Meister Intonation und Zischgeräusch beachten müssen, um zu erkennen, dass es um die Erfüllung seines Anliegens weniger gut bestellt ist.

Äußern von Kritik

Die Abteilungsleiterin Frau Haupt erteilt ihrer Assistentin Kim einen wichtigen Auftrag, den sie unbedingt bis zum nächsten Morgen erledigt wissen möchte. Am Tag darauf, stellt sich heraus, dass Frau Kim diese Arbeit vergessen hat. Etwas verärgert gibt Frau Haupt ihrer Mitarbeiterin eine Rückmeldung nach den in Deutschland erlernten Feedbackregeln und weist konstruktiv auf den Fehler hin. Frau Kim lacht und reagiert mit der Auskunft, sie habe nicht arbeiten können, da am vorherigen Nachmittag zeitweilig der Strom ausgefallen sei. Frau Haupt, die weiß, dass dies nicht stimmen kann, ärgert sich noch mehr. Besonders, dass Frau Kim die Situation offenbar nicht angemessen ernst nimmt und lacht, findet sie unverschämt.

In Korea gelten andere Regeln für den Umgang mit Kritik als in Deutschland. Um der Harmonie willen darf niemand sein Gesicht verlieren und bloßgestellt werden. Aus diesem Grund wird Kritik niemals offen oder gar vor Dritten geäußert. Auch ist es allgemein akzeptiert, Fehler und Pannen nicht zuzugeben, sondern durch Ausflüchte zu kaschieren. Die Höflichkeit gebietet es dann, bei unlogischen, nicht zur Sache gehörenden Antworten nicht nachzuhaken.

Da koreanische Mitarbeiter den Erwartungen ihrer Vorgesetzten stets gerecht werden möchten, setzt Frau Kim den Stromausfall als Notlüge ein. Da sie befürchtet, Frau Haupt könne diese aufdecken, ist sie verzweifelt und entschuldigt sich für ihren Fehler durch Lachen ? ein Verhalten, das in diesem Kontext eine koreanische Vorgesetzte vermutlich milder gestimmt hätte, von Frau Haupt aber gänzlich falsch interpretiert wird. Besser wäre es gewesen, wenn Frau Haupt zuerst vorsichtig erkundet hätte, ob Frau Kim der Fehler nicht schon bewusst war. In diesem Fall hätte dann die Andeutung, die Sache sei nach wie vor sehr dringlich, genügt, um Frau Kim zu kritisieren. Für eine stärkere Missbilligung knüpft man den entsprechenden Punkt an Lob oder die Hervorhebung bisher erbrachter positiver Leistungen an. Problematisches kommt, wenn es sich nicht vermeiden lässt, immer zum Schluss eines Gesprächs, – und auch dann eher zwischen den Zeilen.

Persönliche Stellungnahme

Manager Dr. Beste, neu in Korea, hält einmal wöchentlich ein Treffen mit all seinen 15 Mitarbeitern ab. Er möchte, dass in dem Teammeeting Lösungsvorschläge erarbeitet werden. Während dies bei den Deutschen großen Vor- und Nachteile verschiedener Vorgehensweisen diskutiert und gemeinsam Anklang findet, sitzen die koreanischen Angestellten meist reserviert und angespannt da. Nur wenn Dr. Beste sie direkt nach ihrer Meinung fragt, ergreifen sie das Wort. Allerdings entsprechen ihre Beiträge meist nicht seinen Erwartungen: Die Koreaner geben ungenaue generelle Antworten und weichen persönlichen Stellungnahmen aus. Hakt er nach, tendieren sie zu ausladenden Bemerkungen, schweifen zunehmend vom Thema ab oder wechseln es bisweilen ganz. Dr. Beste verwirrt dieses Verhalten, denn die anderen Arbeitsergebnisse seiner koreanischen Mitarbeiter sind stets einwandfrei.

Die für den deutschen Manager ungewohnten Reaktionen der Koreaner resultieren aus einer grundlegend anderen Einstellung gegenüber Argumentation und Diskussion. Während im Westen Überzeugungstechniken positive Kennzeichnen gewiefter Rhetoriker sind, ist für Koreaner das Ziel jeder kommunikativen Handlung das Erhalten einer harmonischen Gesprächsatmosphäre. Sie sind darauf aus, Konfrontation und Konflikt zu vermeiden – unklare Ausdruckweise, Themenwechsel oder gar Schweigen sind gängige Strategien dafür – und in Diskussionen durch das Aufzeigen von Gemeinsamkeiten Brücken zu bauen, um die Angelegenheit einvernehmlich zu lösen.

Erschwerend kommt hinzu, dass Dr. Beste ihr Vorgesetzter ist und der Vorschlag eines Höhergestellten im Teammeeting nicht offen hinterfragt oder kritisiert werden kann, da sein Gesicht verletzt werden könnte. Meetings dienen in Korea in erster Linie der Förderung der Zusammenarbeit. Will man als Vorgesetzter persönliche Standpunkte erfahren, hält man den Teilnehmerkreis von Besprechungen möglichst klein, idealerweise befragt man die Mitarbeiter gar unter vier Augen.

Signale verstehen

Deutsche und Koreaner kommunizieren unterschiedlich: Koreaner, die die deutsche Sprache beherrschen, loben an ihr die Genauigkeit, mit der es grammatikalisch möglich ist, Sachverhalte zu beschreiben und Dinge auf den Punkt zu bringen. Gleichzeitig beklagen sie aber die mangelnde Möglichkeit, sich nötigenfalls umschreibend und vage artikulieren zu können. Sie sind von klein auf darin geübt, die Botschaft hinter den Worten herauszuhören, die para- wie nonverbalen Signale ihrer Mitmenschen zu entschlüsseln und angemessen zu reagieren. Wir sind darin nicht geschult. Wollen wir eindeutig mit Koreanern kommunizieren, ist es an der Zeit, unsere Beobachtungsgabe zu trainieren und Antennen für diese andere Art der Kommunikation zu entwickeln.

[Erstveröffentlicht in: KORUM – Korea, Unternehmen, Märkte – Hrsg. Deutsch-Koreanische Handelskammer – Nr. 4 | 2010, S. 22 ff.]

Autorin: Prof. Dr. Anja K. Haftmann

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