Kommunikation in den Arabischen Golfstaaten

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In den Arabischen Golfstaaten steht die gute Beziehung zwischen den Geschäftspartnern immer an erster Stelle. Business ist eine persönliche Angelegenheit und nie rein auf die Sache bezogen. Daher wird bei jedem geschäftlichen Treffen viel Small Talk betrieben, um sich besser kennenzulernen und Vertrauen aufzubauen.

Golfaraber reden weitschweifig, sind sehr wortgewandt und haben streckenweise auch eine recht blumige Ausdrucksweise. Man nähert sich dann nur sehr langsam dem geschäftlichen Vorhaben.

An eine sachliche Kommunikation gewöhnte Deutsche empfinden das Nicht-zur-Sache-kommen-Wollen der Golfaraber oft als reine Zeitverschwendung. Golfaraber hingegen setzen die sehr viel direktere, zielorientiertere Kommunikation ihrer deutschen Geschäftspartner meist mit einem Mangel an Höflichkeit gleich. Rein auf der Sachebene miteinander zu sprechen, empfinden sie als abweisend und wenig vertrauenserweckend.

Auf Harmonie ausgerichtet

Die golfarabische Kommunikation ist in der Regel indirekt, da das Miteinander auf Harmonie ausgerichtet ist. Man ist stets darauf bedacht, den anderen nicht durch harsche Worte oder negative Aussagen vor den Kopf zu stoßen. Es gilt die goldene Rege, das Gesicht des anderen wie auch das eigene Gesicht zu wahren, indem man sich diplomatisch, geschickt und so positiv wie möglich ausdrückt.

Worauf begründet sich diese indirekte Form der Kommunikation in den Arabischen Golfstaaten?

Religiöse Faktoren

Zum einen auf den Koran. Die Leser des Korans werden bei Verboten und Geboten zwar direkt angesprochen. Indirekt gibt es aber großen Interpretationsfreiraum. Aus geschichtlichen Ereignissen soll der Leser indirekt Lehren ziehen. Ist die Mentalität Ihres Gegenübers also religiös geprägt, lehnt sich sein Kommunikationsstil ziemlich sicher an die Ausdrucksweise in den Schriften an.

Hierarchische Strukturen

Des Weiteren wird die Kommunikation in den golfarabischen Staaten von den hierarchischen Strukturen bestimmt, die teils religiös, teils historisch begründet sind. In der Familie gibt beispielsweise das Familienoberhaupt den Ton an. Die weiteren Familienmitglieder haben mehr oder weniger zu sagen. Dies ist abhängig von deren Geschlecht und Alter.

Im Geschäftsalltag wird ebenfalls von jedem Mitarbeiter je nach Gruppenzugehörigkeit und hierarchischer Stellung ein bestimmtes Verhalten erwartet. Auch hier gibt der Chef den Ton an. Von einem Vorgesetzten etwa wünschen sich die Mitarbeiter ganz direkte, klare Arbeitsanweisungen. In diesem Fall ist somit die sonst in der golfarabischen Welt vorherrschende indirekte Form der Kommunikation nicht angebracht.

Zusammenfassend kann man sagen, dass sowohl im privaten als auch im geschäftlichen Bereich eine hohe Machtdistanz herrscht, die sich in der Kommunikation widerspiegelt. Was der Vater oder der Chef sagt, darf nicht angezweifelt, sondern muss befolgt werden.

In- oder Out-Group?

Daneben wird in der golfarabischen Region zwischen der In- und der Out-Group differenziert.
In der In-Group sind die Beziehungen sehr intensiv. Dies betrifft die Familie, Freundschaften oder den Zusammenhalt in religiösen Gemeinschaften. Hier ist die direkte Kommunikation vorherrschend. Die ehrliche Meinung darf geäußert werden, aber nur unter vier Augen. Und da die Nachbarn zuhören könnten, gilt es, seine Worte mit Bedacht zu wählen. Denn an oberster Stelle steht auch hier, das Gesicht des andere zu wahren bzw. sein eigenes nicht zu verlieren.

Ein europäischer und ein golfarabischer Geschäftsmann bewegen sich in der Out-Group und sollten einen indirekten Kommunikationsstil pflegen. Sie können jedoch unter Ausschluss der Öffentlichkeit trotzdem direkt kommunizieren. Allerdings ist hier von europäischer Seite viel Fingerspitzengefühl gefragt.


Ja oder Nein?

Wenden wir uns nun der indirekten, beziehungsorientierten Kommunikation im Geschäftsalltag zu, z.B. wenn man jemandem eine Bitte abschlagen oder eine Einladung ablehnen muss. Eine negative Antwort zu geben, bedeutet aus golfarabischer Sicht, den anderen zu verletzen. Ein direktes Nein bringt daher die über allem stehende Beziehungsebene in Gefahr.

Deshalb drücken sich Golfaraber in diesen Fällen immer indirekt aus und so werden sie z.B. mit „No problem“ antworten, auch wenn eigentlich durchaus ein Problem besteht bzw. die herangetragene Bitte nicht erfüllt werden kann. Folglich ist ein arabisches Ja auch nicht immer als ein Ja im deutschen Sinne zu verstehen, sondern drückt oft nicht viel mehr als eine generelle Bereitschaft aus, es zu versuchen.

Darüber hinaus werden Metaphern und Umschreibungen verwendet, um keine direkte Absage aussprechen zu müssen. Auch Gestik und Mimik, wie das Hochziehen der Augenbrauen oder ein gelangweilter Blick, können die tatsächliche Antwort widerspiegeln. Wenn Ihr golfarabischer Gesprächspartner zudem nicht konkreter auf Ihr Anliegen eingeht, sondern eher das Thema wechselt oder allgemeiner wird, ist das als negatives Signal zu werten. Aussagen wie „I’ll think about it“ oder „Let’s see what happens“ bedeuten tendenziell eher Nein.

Müssen Sie selbst eine negative Antwort geben, versuchen Sie diese also in wohlwollenden Worten zu verhüllen. Heben Sie einige positive Aspekte hervor und bringen Sie Ihre negative Antwort danach. Erklären Sie, warum Sie eine Einladung zu einem Meeting ablehnen müssen, mit „Ich würde sehr gerne kommen, aber ich habe an diesem Tag leider familiäre Verpflichtungen.“ So wahren Sie das Gesicht Ihres Gegenübers und gefährden durch Ihre negative Aussage nicht die gute Beziehung.

Kritik äußern

Müssen Sie beispielsweise eine Arbeitsleistung kritisieren, sollten Sie ganz besonders stark darauf achten, dass die betroffene Person nicht ihr Gesicht verliert – das würde auch Ihrem Ansehen schaden. Gehen Sie zusätzlich davon aus, dass sich Golfaraber sehr schnell in ihrer Würde und Ehre verletzt fühlen.

Kritik muss daher immer unter vier Augen und so indirekt wie möglich ausgesprochen werden. Beginnen Sie mit der Anerkennung vieler positiver Leistungen, bevor Sie vorsichtig Punkte nennen, die verbessert werden können.

Denken Sie daran: Es ist wichtiger, die Harmonie und die persönlichen Beziehungen zu wahren, als einem Einzelnen Schuld zuzuweisen und zur Rechenschaft zu ziehen.

Lob aussprechen

Lob auszusprechen ist dagegen immer erlaubt, und sogar unbedingt erwünscht. Dabei dürfen sehr direkte Worte gewählt werden. Das Lob sollte allerdings nicht direkt, sondern über Dritte erfolgen. Denn schließlich steigt dadurch das Ansehen, der Respekt oder womöglich auch die soziale Hierarchie der derart positiv dargestellten Person.

Im Streitfall

Kommt es einmal zu einem Konflikt, ist von Relevanz, wie wichtig die Beziehung zwischen den zerstrittenen Geschäftspartnern ist. Generell gilt, wenn die Geschäftsbeziehung als eher unwichtig betrachtet wird, dann kann auch in der golfarabischen Welt direkt und in der Öffentlichkeit kommuniziert werden. Wird die Beziehung der zerstrittenen Geschäftspartner jedoch als wichtig eingeschätzt, wird oftmals ein Vermittler eingesetzt, um etwaige Wogen durch unbedacht Geäußertes wieder zu glätten.

Faustregel

Zusammenfassend lässt sich eine kleine Faustregel für die respektvolle Kommunikation in den Arabischen Golfstaaten aufstellen: Wer die jeweiligen beziehungs- und hierarchischen Konstellationen sowie den Kontext berücksichtigt, weiß, wann es angebracht ist, direkt oder indirekt zu kommunizieren.

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Über den Autor

Steffen Henkel

Geschäftsführender Gesellschafter der Crossculture Academy

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